Keynesianismus

Keynesianismus 1

Dies ist der zweite Artikel von dreien, in denen verschiedene Wirtschaftstheorien dargestellt werden. Sie konzentrieren sich darauf, in absolut knapper Form die Grundlagen der jeweiligen Theorie wiederzugeben. Auf eine Kritik oder eine Überprüfung der Realitätsnähe wird bewusst verzichtet. Basis aller drei Artikel ist ein online Seminar Einführung Wirtschafstheorien der Rosa Luxemburg Stiftung, an dem ich im Juni 2023 teilgenommen habe. Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Keynesianismus, der erste Artikel über die Neoklassik findet sich hier, der dritte über Marx folgt noch.

Grundannahmen

Der Keynesianismus entstand im Kontext der Weltwirtschaftskrise und der mit ihr verbundenen Massenarbeitslosigkeit in den 1930er Jahren. Die Grundzüge entwickelte John Maynard Keynes in seinem 1936 erschienenen Buch Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, in dem er von der bisher herrschenden neoklassischen Theorie abweichende Grundannahmen formuliert.

Wirtschaftliche Entscheidungen sind geprägt von Unsicherheit

Keynes geht davon aus, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage -vor allem nach Investitionsgütern- prinzipiell instabil ist. Grund dafür ist die Tatsache, dass Investitionen hauptsächlich von Renditeerwartungen abhängen. Je nachdem, ob diese eintreffen oder nicht, wird in der nächsten Periode mehr oder weniger investiert. Dies führt im Gesamtverlauf zwangsläufig zu Schwankungen und damit zu Instabilität. Diese Instabilität überträgt sich auf die Nachfrageseite, da abnehmende Investitionen Arbeitslosigkeit erzeugen, und diese wiederum einen Rückgang der Nachfrage im Konsumsektor.

Die Nachfrage bestimmt das Angebot

Keynes lehnt das Say‘sche Theorem der Neoklassik ab, nach dem jedes Angebot sich seine Nachfrage selbst schaffen würde. Dieses würde voraussetzen, dass eine Volkswirtschaft keine Ersparnisse machen würde, sondern sofort alles wieder in Investitionen und Konsum umsetzen würde. Da aber Ersparnisse empirisch vorhanden sind, müssen diese zu einem Nachfrageausfall führen. Aus diesem Grund ist für Keynes die gesamtwirtschaftliche Nachfrage die entscheidende Größe für Produktion und Beschäftigung. Der Keynesanismus ist eine nachfrageorientierte Theorie.

Keynes und Krisen

Anders als für die Neoklassik sind ökonomische Krisen für Keynes also Teile eines zyklischen Prozesses der Volkswirtschaft, die aber durch antizyklische Maßnahmen verhindert werden können.

Die Rolle des Staates

Die Rolle des Staates sieht Keynes darin, diese antizyklischen Maßnahmen anzustoßen. Dies geschieht vor allem durch die Beeinflussung der volkswirtschaftlichen Gesamtnachfrage. Aber auch andere Instrumente stehen dem Staat zur Verfügung.

Durch eine Steigerung der Staatsausgaben kann der Staat in einer Rezession die Gesamtnachfrage erhöhen und damit die Investitionsbereitschaft des Privatsektors und in Folge auch dessen Konsumneigung erhöhen. Investiert der öffentliche Sektor in einer Rezession, zum Beispiel in den Bau von Schulen, so kurbelt dies den Bausektor an, der wiederum Arbeitskräften nachträgt, die mit ihren Löhnen den Konsum anstoßen und weiter Nachfrage in anderen Bereichen erzeugen. Umgekehrt kann bei einer Überhitzung der Wirtschaft eine Senkung der Ausgaben des öffentlichen Sektors den gegenteiligen Effekt erzielen. So gesehen kann der Start über eine geeignete Fiskalpolitik die gesamtwirtschaftliche Nachfrage entscheidend beeinflussen.

Auch durch Geldpolitik kann der Staat, vermittelt über die Zentralbank, durch Zinsenkungen, beziehungsweise Zinserhöhungen die Nachfrage steuern. Der Gedanke dahinter ist, dass bei einer Überhitzung der Wirtschaft höhere Zinsen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen dämpfen und – vermittelt über dadurch steigende Arbeitslosigkeit- die Gesamtnachfrage sinkt (dieser Mechanismus wird aktuell auch angewandt, um die gegenwärtige Inflation zu senken).

Insgesamt nimmt der Staat in der Theorie von Keynes die Rolle eines Koordinators ein, der Ungleichgewichte und Instabilitäten des Marktes regulieren soll.

Auch langfristig soll der Staat nach Ansicht von Keynes in das wirtschaftliche Geschehen eingreifen, indem er zum Beispiel eine geeignete Industriepolitik betreibt. Diese sollte darin bestehen, volkswirtschaftlich bedeutende Wirtschaftszweige durch Investitionen und Subventionen zu fördern, oder durch Zölle vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber dem Ausland zu schützen.

Das Modell von Keynes ist auf Kooperation zwischen den Akteuren Staat, Kapital und Arbeit ausgelegt. Es unterscheidet sich auf der Makroebene deutlich von der Neoklassik, auf der Mikroebene, die in der Theorie von Keynes aber eigentlich keine Rolle spielt, übernimmt er weitgehend die neoklassischen Ansichten. Dies hat in der Folge zu verschiedenen Versuchen geführt, die beiden Denkschulen miteinander zu verbinden und -je nach Situation- Instrumente aus beiden zu benutzen. Dies wird auch dadurch ermöglicht, dass beide Schulen das zugrunde liegende Wirtschaftssystem des Kapitalismus nicht infrage stellen.