Ein Versuch von César Molinas, zu erklären, woher die Krise in Spanien kommt und was man dagegen unternehmen muss. Molinas hatte wohl eine hohe Position bei Merri Lynch und ist von daher wahrscheinlich nicht einer ultralinken Position verdächtig. Aber das macht ja nichts, es gibt kluge Leute auf allen Seiten. Mir fiel das Buch durch einen Artikel in der Süddeutschen in die Hände, und weil ich schon lange wissen wollte, was der Autor im Titel frägt, war ich dabei.
Das Buch teilt sich in drei Teile.
Wohin entwickelt sich die Welt?
In diesem Teil beschreibt der Autor die grossen Linien, in denen sich die Welt entwickelt. Da ist jetzt nichts Überraschendes dabei,
- die Globalisierung wird voranschreiten,
- das westliche Demokratiemodell wird trotz allem seinen hegemonialen Charakter behalten,
- die Funktion des Staates wird sich dabei von einem Wohlfahrtsstaat zu einem Staat wandeln, der seinen Bürgern Möglichkeiten eröffnet,
- Europa wird nur eine Zukunft haben, wenn es gelingt, die Produktivität zwischen Nord und Süd anzugleichen,
- nein, der Kampf um die Hegemonie wird nicht kriegerisch ausgetragen werden, Schlachtfeld wird die Entwicklung des Humankapitals sein.
- das Konzept der Menschenrechte wird sich hin zu einem Konzept der Privatperson wandeln.
Wo kommt Spanien her?
Molinas verfolgt die Schwächen Spaniens weit zurück. Dabei ein interessanter Ausflug in Bezug auf die Rolle geographischer Faktoren in der Entwicklung von Gesellschaften (inspiriert von Fernand Braudel). So geht er ausführlich auf die Lage Madrids (660 Meter hoch, kein Flusszugang) und die Auswirkungen auf das soziale Leben und die Innovationskraft der Madrider Gesellschaft ein. Die Wahl einer Stadt mit dieser Lage war kein Zufall, sondern eine gezielter Versuch des spanischen Königshofes, sich von neuen Entwicklungen abzuschotten. Auf dieser Basis entstand die spezifische Form der spanischen Kapitalismus, rückwärtsgewandt und stark an Grundbesitz orientiert.
Insgesamt vermisst Molinas ein echte Projekt, das die spanische Gesellschaft als eine Nation vorantreiben könnte. Lediglich die Zeit der Transición würde dem nahe kommen. So sei es auch keine Wunder, dass etwa Catalunya die Unabhängigkeit anstreben würde, weil es nichts gäbe, was der spanische Staat zu bieten hätte.
Hart geht Molinas mit der politischen Klasse ins Gericht, die er weitgehend für unfähig und korrupt hält. Hier sei der Hebel, an dem man ansetzen müsse, wenn man überhaupt eine Chance haben soll. etwas zu verändern.
Was tun mit Spanien?
In dritten Teil schliesslich entwickelt Molinas, was seiner Meinung nach in Spanien reformiert gehört. An erster Stelle die politischen Institutionen, also Parteien aber auch die Tarifpartner und der Justizapparat. Darauf aufbauend spricht er sich für eine Neuorientierung im Erziehungsbereich, Forschung und Wissenschaft. Danach kommen der Arbeitsmarkt, die Rentenversicherung und der Wohnungsmarkt dran.
Eigentlich fällt einem kein Bereich mehr ein, den er nicht angesprochen und angegriffen hat, bis auf das Militär. Mut kann man dem Mann nicht absprechen, er tut vieles, um sich mit allen anzulegen. Für mich ein interessantes Buch, weil es viele Details enthält, die mir zeigen, wie wenig ich doch noch über Spanien und die Situation dort weiss.