Ja, es ist dieser Grieche, den wir aus den Talkshows des deutschen Fernsehens kennen, und den sie dort nie aussprechen liessen, weil sonst die Wahrheit ans Licht gekommen wäre. Giorgos Chondros schildert in Die Wahrheit über Griechenland, die Eurokrise und die Zukunft Europas: Der Propagandakrieg gegen Syriza seine Sicht der Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung von Syriza und den Institutionen. Drei Dinge machen das Buch interessant und lesenswert.
Zum einen ist es eine gute Zusammenfassung der Entwicklungen in diesem Frühjahr 2015, das politisch von der Diskussion um Griechenland und den Grexit dominiert war. Allzu schnell vergisst man ja, was da alles passiert war, der Sieg einer linken Regierung in Europa und die damit aufkeimende Hoffnung, dem neoliberalen Kurs der EU unter der Führung Deutschlands eine Alternative entgegensetzen zu können, und die krachende Niederlage dieses Projekts.
Zum zweiten schildert ein Insider den Verlauf der Verhandlungen und erlaubt eine Inneneinsicht in politische Prozesse, wie man sie sich von der Presse (der sogenannten vierten Gewalt) wünschen würde. Chondros beschreibt zum Beispiel eine Verhandlung, in der es um Fragen der zukünftigen griechischen Energiepolitik ging und in der beiden Seiten grosse Übereinstimmung feststellten, bis schliesslich das Ergebnis der Verhandlungen festgehalten wurde. Dieses lautete: die griechische Seite stimmt der Privatisierung der öffentlichen Stromversorger und der unabhängigen Netzbetreiber zu. Diese Frage war allerdings zu keinem Zeitpunkt der Verhandlung auch nur erwähnt worden. Das ist Realpolitik und verleiht der Forderung nach öffentlichen Verhandlungen starkes Gewicht.
Und schliesslich zum dritten macht sich Chondros Gedanken über die Zukunft Europas und die Strategie der Linken nach der Niederlage von Syriza. Das Buch ist bereits im Sommer 2015 geschrieben worden und kann auf viele Entwicklungen, wie zum Beispiel der Bildung einer linken portugiesischen Regierung nicht eingehen. Chondros konstatiert, dass das europäische Kapital sich mit der EU einen Macht- und Handlungsapparat geschaffen hat, dem die zersplitterte europäische Linke nichts entgegen zu setzen hat. Diesem Europa der Konzerne und Eliten muss eine Bündelung derer -da unten- entgegengesetzt werden, ein Bündnis aller derer, deren Zukunft von der Politik der Austerität bedroht ist. Daraus wird ein anderes Europa entstehen. Nein, diese Erkenntnis ist nicht neu, aber es ist an der Zeit, sie zu beherzigen.