Die Beschäftigtenzahlen sind so hoch wie nie, die Arbeitslosigkeit -verglichen mit früheren Jahren- niedrig, der Mindestlohn wurde gerade wieder erhöht, eine Mietpreisbindung für viele Wohnungen eingeführt, es gibt Preisbremsen gegen die steigenden Energiekosten. Spanien ist aus sozialer Sicht ein Erfolgsmodell, verglichen mit vielen anderen europäischen Staaten. Und dennoch hat die spanische progressive Regierung von PSOE und Unidas Podemos die Kommunalwahlen und Wahlen in den Autonomen Regionen krachend verloren. Ein harter Schlag für Spaniens Linke.
Die Ergebnisse
Die Regional- und Kommunalwahlen vom 28. Mai haben der PSOE praktisch die gesamte territoriale Macht genommen, die sie bisher innehatte, und sie hat auch der Gesamtzahl der Stimmen nach eine klare Niederlage erlitten: 6.288.606 (28,11%) gegenüber 7.046.560 (31,5%) für die PP. Alle großen Städte Spaniens (mit Ausnahme von vielleicht Barcelona) und 15 von 22 Provinzhauptstädten, die bisher von linken Koalitionen regiert wurden, gingen verloren. In den Regionen Comunitat Valenciana, Aragón, Extremadura, Illes Balears, Cantabria, Murcia und La Rioja haben die Rechten Parteien nun die Mehrheit und können eine Regierung bilden. Außerdem hat Isabel Díaz Ayuso ihr Ergebnis in der Comunidad de Madrid deutlich verbessert und die absolute Mehrheit bei weitem übertroffen,
Unidas Podemos ist in der Comunidad de Madrid, der Comunitat Valencia, Canarias und in der Hauptstadt Madrid an den jeweiligen Wahlhürden gescheitert und zukünftig nicht mehr in den Parlamenten vertreten.
Die rechtsradikale Partei VOX dagegen hat es in alle Landesparlamente geschafft und wird in vielen von der PP als Koalitionspartner benötigt werden.
Die Gründe
Die Tatsache, dass in ganz Spanien, Kommunalwahlen und in 12 der 17 Regionen gleichzeitig Wahlen durchgeführt wurden, hat dazu geführt, dass diese als Stimmtest für die im Dezember geplanten Wahlen zum spanischen Parlament angesehen wurden. Dementsprechend spielten auch nationale Themen eine größere Rolle als sonst. Von der Opposition wurden diese Wahlen zu einer Abstimmung über Pedro Sánchez und dessen Unterstützung durch die Kommunisten, die Terroristen der ETA, und die Vaterlandsverräter aus Katalonien hochstilisiert. So war zum Beispiel das vorherrschende Thema im Wahlkampf von Madrid die Tatsache, dass die baskische Partei EH Bildu in ihren Kommunalwahllisten Kandidaten hatte, die der 2011 aufgelösten ETA angehört und deswegen zu Haftstrafen verurteilt wurden, die seit Jahren verbüßt sind.
Prozentual gesehen hat die PP um etwa 9% zugelegt und die PSOE 1% eingebüsst. Der Zuwachs der PP und zu Teilen der VOX, ist auf das Verschwinden der dritten Rechten Partei Ciudadanos zurückzuführen, deren Stimmen diesmal bei den anderen Rechten gelandet sind.
Während auf der Seite der Rechten nun diesmal faktisch zwei Parteien statt drei angetreten sind, ist die Linke jenseits der PSOE überall dort gescheitert, wo sie es nicht geschafft hat, einheitlich anzutreten. Dies war der Fall in der Comunitat Valencia, wo die fehlende Einheit zum Verlust der Regierung geführt hat und ebenso in Madrid, wo eine absolute Mehrheit der PP deswegen nicht verhindert werden konnte. Ein besonders gutes Beispiel dafür ist Huesca, wo vier linke Parteien insgesamt 17 % der Stimmen errungen haben, aber alle vier an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten.
Darüber hinaus hat die Regierungskoalition in den letzten Monaten kein sehr gutes Bild abgegeben. Sie erschien mehr und mehr zerstritten und unfähig, ihre Erfolge im sozialen Bereich in das öffentliche Bewusstsein zu heben. Auch die Unfähigkeit von Podemos und Sumar, sich auf ein gemeinsames Vorgehen für den Wahlkampf im Dezember zu einigen hat sicher dazu beigetragen.
In Barcelona ist die Partei von Ada Colau bei den Kommunalwahlen mit mal gerade 141 Stimmen Rückstand gegenüber dem Zweiten auf dem dritten Platz gelandet. Platz 2 hätte ihr die Möglichkeit eröffnet (wie auch das letzte Mal) über eine Koalition das Bürgermeister*innenamt zu erringen.
Im Baskenland hat die linke Unabhängigkeitspartei EH Bildu gegen den Trend stark zugelegt und ist in der Hauptstadt Vitoria-Gasteiz als Sieger hervorgegangen.
Ein überraschender Schachzug
Noch in der Nacht der Wahlniederlage hat sich Pedro Sánchez entschlossen, das Parlament aufzulösen und vorgezogene Neuwahlen für den 23. Juli auszurufen. Seine Ankündigung am Morgen des folgenden Tages hatte niemand erwartet. Aber bei Licht gesehen ergibt diese Entscheidung durchaus Sinn.
Zum einen gewinnt die Linke dadurch wieder die Initiative. Nicht mehr die Ergebnisse der Wahlen am 28. Mai stehen im Vordergrund, sondern die Erwartungen für die Wahl im Juli. Sánchez vermeidet dadurch auch lange quälende Monate, in denen er immer wieder zu Neuwahlen aufgefordert worden wäre und die Rechte mit ihren Erfolgen hausieren gegangen wäre. Darüber hinaus kann er auf den Schock und die damit verbundene Mobilisierung der Linken rechnen, der nach diesem Wahlergebnissen unmittelbar zu spüren war.
Zum anderen wird er davon profitieren, dass der PP und VOX Koalitionsverhandlungen in verschiedenen Regionen bevorstehen, die sicherlich auch nicht einfach sein werden und ebenfalls eine Mobilisierung der Linken bewirken können.
Diese Strategie des alles oder nichts passt zu Sánchez, in dessen politischer Biografie immer wieder solche jähen Wendungen zu sehen waren, so zum Beispiel der Kampf um den Parteivorsitz, nachdem er von der Parteispitze entfernt worden war, oder aber auch eine schon einmal stattgefundene vorgezogene Wahl, und die anschließend eingegangene Koalition mit Unidas Podemos, die vorher kategorisch ausgeschlossen worden war.
Wie sind die Aussichten?
Die rechte Presse und natürlich die PP gehen von einem souveränen Sieg im Juli aus. Die linke Presse und die Kommentator*innen stehen noch unter dem Schock des völlig unerwarteten Wahlergebnisses und geben der Linken nur geringe Chancen. Aus dem Lager der linken Parteien und Organisationen dagegen spürt man Kampfbereitschaft. Es scheint, dass sie den Warnschuss nun endgültig vernommen haben. Wenn es gelingt, in den nächsten Tagen schnell Wahlbündnisse hinzubekommen, können die Zahlen eine Wiederholung der progressiven Koalitionsregierung durchaus hergeben.
Die Wahbündnisse sind unabdingbar, weil das spanische Wahlrecht kleine Parteien extrem benachteiligt. Darüber hinaus wird es stark darauf ankommen, inwieweit es der Linken gelingt, ihre Wähler*innen zu mobilisieren. Viel Zeit bleibt nicht.