Heute jährt sicht der Tag, an dem im katalanischen Parlament die Unabhängigkeit Catalunyas vom spanischen Zentralstaat erklärt wurde, zumindest bis sie ein paar Sekunden später ausgesetzt wurde. Das hatte zur Folge, dass die damalige konservative Regierung das katalanische Parlament auflöste, die Region unter Zwangsverwaltung stellte und Neuwahlen ausrief. Zahlreiche Unternehmen erklärten, aufgrund der politischen Unsicherheit, ihren Firmensitz aus Katalonien wegzuverlagern, der Region wurde wirtschaftlicher Niedegang und politisches Chaos vorausgesagt.
Ein Jahr später kann man feststellen, dass zumindest der wirtschaftlche Niedergang nicht wirklich stattgefunden hat. Das Bruttosozialprodukt ist auch in diesem Jahr gewachsen und liegt wie immer über dem spanischen Durchschnittt. Zwar sind tatsächlich viele Unternehmen gegangen und bis auf wenige auch nicht zurückgekehrt, aber es haben sich auch neue Schwergewichte, vor allem aus er Technologiebranche angesiedelt. Barcelona ist nach wie vor ein Touristenmagnet.
Die Strategie der damaligen konservativen Regierung, die Unabhängigkeitsbewegung durch eine Politik der Harten Hand zu schwächen, ist ebenfalls nicht aufgegangen. Nach wie vor kann man einschätzen, dass knapp die Hälfte der Bevölkerung dem Gedanken der Unabhängigkeit positiv gegenübersteht, dass Millionen bereit sind, auf die Strasse zu gehen. Stattdessen ist die Regierung von Rajoy über Korruptionsskandale gestürzt und durch eine PSOE Regierung abgelöst worden. Das hat die Ausgangsbedingungen für die katalanische Unabhängigkeitsbewegung grundlegend verändert und sie tief gespalten.
Der Flügel um den ehemaligen katalanischen Präsident Carles Puigdemont und den jetzigen Präsident Joaquim Torra setzt weiterhin auf eine harte Linie und will sich politisch neu organisieren. Im Zentrum dieser Strategie steht der Versuch, die gesamte Unabhängigkeitsbewegung hinter sich zu bekommen und den Konflikt zu internationalisieren. Dazu soll eine neue politische Bewegung La Criada dienen, die just heute gegründet wurde.
Diesen Bemühungen haben sowohl die CUP als auch die ERC bereits eine Absage erteilt. Die CUP, weil ihr die Forderungen nicht weit genug gehen. Sie fordert eine offene Missachtung Urteile der spanischen Justiz und eine sofortige Inkraftsetzung der Unabhängigkeit. Die ERC dagegen sieht die Bemühungen um die Unabhängigkeit als vorerst gescheitert an, auch wenn sie das nicht offen sagt. Sie möchte den Spielraum nutzen, der sich durch die Veränderungen in Madrid ergeben haben und setzt auf eine Übereinkunft mit Pedro Sánchez.
Dieser sendet permanent Signale nach Katalonien, in der Hoffung, dass sie dort entprechend aufgenommen und interpretiert werden. Dazu zählt sicherlich die Erhöhung der Investitionen in Katalonien, die im nächsten Spanischen Haushalt vorgesehen sind.
Ob er diesen Haushalt durchbringen kann hängt von Stimmen der katalanischen Parteien ab, ohne sie ist eine Mehrheit für diesen Haushalt nicht möglich. An der Haltung zum Haushalt wird man auch absehen können, wer momentan in der Auseinandersetzung innerhalb der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung die Oberhand hat.
Wie es grundsätzlich weitergeht wird auch davon abhängen, wie der Prozess gegen die katalanischen Politiker ausgeht, die wegen verschiedener Delikte angeklagt sind teilweise seit einem Jahr im Untersuchungshaft sitzen. Der Prozess soll im Januar beginnen und wird dann wohl einige Monate dauern. In dieser Zeit wird sich noch einiges bewegen.