Javier Cercas ist einer der Autoren, deren Neuerscheinungen ich unbesehen kaufe und bisher tat ich keinen Fehlgriff. Mit Terra Alta betritt Javier Cercas mit einem -auf den ersten Blick- Kriminalroman Neuland.
Wie der Titel andeutet, spielt die Handlung im Terra Alta, einer Region im Südwesten Kataloniens, die bis heute durch Landwirtschaft und dazu gehörigen Strukturen geprägt ist. 1938 war diese Gegend Schauplatz einer der blutigsten Auseinandersetzungen zwischen Republikanern und Faschisten. Beides spielt in Terra Alta eine Rolle.
Der Mossos d’Esquadra-Agent Melchor Marín gehört zum Ermittlungsteam des brutalen Mordes an Francisco Adell, einem Geschäftsmann, der durch sehr niedrige Löhne reich geworden ist, seiner Frau und einem Dienstmädchen, das möglicherweise Zeuge der Ereignisse war. Die Ermittlungen konzentrieren sich zunächst auf die Suche nach möglichen Feinden von Adell, verlaufen aber bald im Sande und werden schließlich eingestellt. Melchor jedoch verbeißt sich in diesen Fall.
Das hat auch mit der Geschichte von Melchor zu tun, die in einem zweiten Erzählstrang ausführlich dargestellt wird. Sohn einer Prostituierten und auf dem besten Weg zu einer Ganoven Karriere, entschließt sich Melchor, zur Polizei zu gehen, um den Mord an seiner Mutter auf zu klären. Ein ebenso aussichtsloses Unterfangen, wie der Fall von Adell.
Wie dieser schließlich doch noch geklärt wird, und welche Rolle dabei die Vergangenheit spielt, erfährt man in einem dritten Erzählstrang.
Javier Cercas zeichnet sich dadurch aus, dass er in seinen Romanen Realität und Fiktion mischt. Er glänzt, wenn er versucht, Positionen zu verstehen, die konträr zu seinen eigenen sind, zum Beispiel schafft er es als Linker, Rafael Sánchez Mazas, ein Gründungsmitglied der Falange, mit Realismus in Soldados de Salamina, seinem bekanntesten Roman, zu beschreiben. Oder er versucht, die Sichtweise der Generation seiner Eltern während der Transition in dem denkwürdigen Anatomía de un instante einzufangen. In einem anderen seiner Werke, El impostor, gelingt es ihm, verständlich zu machen, warum der spanische Gewerkschafter Enric Marco Batlle, der sich während des Zweiten Weltkriegs als Überlebender der Nazi-Konzentrationslager ausgab, ohne jegliche Skrupel handelte.
Cercas ist nie eindeutig, das bringt ihm oft die Kritik ein, er würde keine Stellung beziehen. Aber das ist wohl auch nicht sein literarischer Anspruch. Ihm geht es darum zu verstehen warum etwas passiert, nicht es zu beurteilen. Wenn man sich darauf einlässt, einer der interessantesten Autoren des gegenwärtigen Spaniens.