Wir schreiben das Jahr 1520. In Toledo, dem Regierungssitz von Karl V., wächst der Unmut gegenüber dem fremden Regenten, der das Land mit neuen Steuern ausplündert, die Regierungsämter an Fremde vergibt und sich auch sonst despotisch verhält. Der Aufstand der Comuneros beginnt und breitet sich bald in den Städten Kastiliens, in Madrid, Segovia, Salamanca, Burgos und Valladolid aus, Der neue Roman Castellano von Lorenzo Silva rekonstruiert diese von der entstehenden Bourgeoisie und den unterprivilegierten Klassen versuchte Revolution, die mit Hinrichtungen und Galgen enden sollte, und „die erste moderne Revolution in der Geschichte“ und „die Grundlage des Liberalismus des 19. Jahrhunderts“ war, wenn man den Ansichten von Lorenzo Silva folgt.
Ein Werk, halb historischer Roman, halb Essay, mit eingestreuten Kapiteln, in denen Silva über die Gegenwart Spaniens reflektiert, Parallelen zieht, sich aber auch fragt, wer er ist, und ob es sowas wie eine Kastilische Identität, vergleichbar mit der der Katalanen oder Basken gibt.
In einem Interview sagt Silva zu der Frage nach der Kastilischen Identität: „Es gibt sie nicht, zum Teil deshalb, weil die Repressionen sehr hart waren. Die Botschaft an den Adel, das Bürgertum und die Enterbten lautete, sich dem neuen, aus Europa kommenden Imperium zu unterwerfen und nach Amerika zu gehen, oder an den Hof zu gehen oder nach Flandern zu gehen, um für die Interessen dieser Menschen zu kämpfen. Das Königreich zerfiel. Die kastilischen Institutionen wurden zu einem Teil der Kulisse und hörten auf, eine Kammer zu sein, die dem Monarchen etwas einbrachte. In wirtschaftlicher Hinsicht wurden den Fürsten, die sich auf die Seite Karls V. gestellt hatten, schreckliche Tribute auferlegt, um Kriegsentschädigungen zu zahlen. Kastilien wurde zerstört und die Kastilier erholten sich so gut sie konnten. Kastilien löste sich auf, zunächst in Spanien und dem Habsburger Reich und dann als Bevölkerung in Madrid. Zuerst wanderten die Kastilier an die Küste, ins Baskenland, nach Andalusien oder in die Levante… aber jetzt wandern die Kastilier nach Madrid.“
Silva beschreibt diesen Aufstand der Comuneros als „die erste moderne Revolution„, denn „in ihr waren Bürger, Handwerker und Juristen, denen es darum ging, Freiheiten einzufordern, aber durch das Gesetz, sie wollten die Herrschaft des Rechts, sie unterschieden zwischen den persönlichen Interessen des Königs und denen des Königreichs, denn auf Kosten des Reichtums von Kastilien bezahlte Karl V. seine Bestechungsgelder an europäische Fürsten und seine Feldzüge im Ausland. Er war ein absoluter Monarch, der mit niemandem einen Dialog geführt hat„. Und er beschreibt es als Lektion für heute: „Vielleicht der Brief, den einer seiner Vizekönige an den bereits siegreichen Karl V. schickte: dass es zum Regieren nicht genügt, Angst zu haben, sondern dass man auch zu vergeben und zu belohnen weiß und nicht nur Kehlen durchschneidet. Wer Macht hat, hat immer die starke Versuchung, sich aufzudrängen„.
Castellano zu lesen, lohnt. Aber das gilt für alle mir bisher bekannten Bücher von Lorenzo Silva.