Der 11. September ist für die meisten Deutschen Medien und damit auch für deren Leser*innen der Tag, an dem 2001 zwei Flugzeuge in die Twin Towers in New York rasten und damit die Weltgeschichte bis auf den heutigen Tag beeinflussten. In Katalonien dagegen ist der 11. September Nationalfeiertag und der Tag, an dem Menschen der Niederlage 1714 im spanischen Erbfolgekrieg gedenken und seit 2011 auch für die katalanische Unabhängigkeit auf die Straße gehen.
Und ein drittes Ereignis vollzog sich am 11. September. 1973 wurde an diesem Tag die demokratische Regierung Chiles unter Salvador Allende gestürzt und eine blutige Diktatur errichtet. Auch daran erinnert man sich an diesem Tag in Barcelona und versammelt sich, um der Opfer zu gedenken, den Widerstand zu ehren und eine gerechte und friedliche Welt zu fordern.
Ich mache mich mit dem Bus 22 vom Plaça Catalunya aus auf den Weg und gelange nach etwa 20 Minuten, in denen der Bus immer wieder aufwärts fährt, in Horta an. Horta ist kein Stadtteil, in dem man sich als Tourist*in überhaupt verirren würde, zu abseits liegt er von den attraktiven Sehenswürdigkeiten. Und auch der Salvador Allende Platz ist kein besonders auffallender Ort, mehr eine Erweiterung der Straße, lediglich eine Gedenktafel für Salvador Allende deutet auf seine Bestimmung hin. Bei meiner Ankunft sind die Straßen noch weitgehend leer, schließlich ist es ja Feiertag, nur vereinzelt sieht man Menschen, die ihre Hunde ausführen. Ich gehe erst mal in die nächste Bar und nehme einen Kaffee. Hier immerhin ist bereits was los.
Dann mache ich mich zum Salvador Allende Platz auf. Ich darf wegen der Corona Vorschriften nicht direkt auf den Platz, der für etwa 150 Leute bestuhlt ist, finde aber einen guten Platz direkt daneben, von dem ich die Bühne und alles weitere gut überschauen kann. Eine alte Weisheit, wer in Spanien zu pünktlich kommt, den bestraft das Leben… mit Wartezeit. So auch hier, aber nach und nach trudeln die Menschen ein. Darunter auch Ada Colau, die Bürgermeisterin von Barcelona, und auch Jéssica Albiach, die an der Spitze von Catalunya en Comú steht, entdecke ich.
Der erste Redner begrüßt die Anwesenden und die Parteien und Organisationen. Die gesamte Linke von CUP über PSC bis hin zu ERC unterstützen diese Hommage, die Gewerkschaften …. Sie alle sind gemeinsam hier, weil sie die gleichen Werte vertreten. UNIDAD POPULAR, wenn das nur in anderen Fragen und zu anderen Gelegenheiten auch so einfach funktionieren würde.
Dann weitere Redner*innen, eine Chilenin, die zum Zeitpunkt des Putsches vier Jahre alt war, erzählt wie es ihr und Ihrer Familie ergangen ist. Der Festakt endet mit der Niederlegung von Blumengebinden durch die Vertreter*innen ihrer Organisationen, dann legen die Teilnehmer*innen Nelken vor der Gedenktafel. Gemeinsam singen wir noch Venceremos und die katalanische Hymne Els Segadors. Langsam löst sich die Versammlung auf, viele bleiben noch sitzen, erzählen miteinander, es ist auch ein Treffpunkt derer, die eine gemeinsame Vergangenheit teilen und sich nicht mehr so oft sehen.
Ich fahre mit dem Bus zurück in die Innenstadt. Eine ganz andere Stimmung dort, aber auch hier bereits Menschen auf der Straße, die sich auf den Weg machen, zum zweiten Ereignis dieses Tages, der Diada und der Forderung nach Unabhängigkeit. Am Ende des Tages werden es wieder über 100.000 sein, die dafür auf die Straße gegangen sind.