Im Herbst 1965 begann General Suharto in Indonesien ein Massaker an Hunderttausenden von Menschen, die beschuldigt wurden, Kommunist*innen zu sein. Die US-Regierung wusste nicht nur, was vor sich ging, sondern unterstützte Suharto und half der Armee bis hin zur Übergabe von Namenslisten. Das schreibt der Journalist Vincent Bevins In seinem Buch The Jakarta Method. Er stützt sich dabei auf Dokumente, die von der CIA jüngst freigegeben wurden.
Anfang der 1960er Jahre war die Kommunistische Partei Indonesiens (PKI) mit 3 Millionen Mitglieder die drittgrößte der Welt, hinter den kommunistischen Parteien in der Sowjetunion und in China. Indonesien mit Präsident Sukarno an der Spitze war eine der treibenden Kräfte der antikolonialen Bewegung. Nach der Konferenz 1955 in Bandung, an der 29 afrikanische und asiatische Staaten teilnahmen, schätzten die USA in Anwendung der Domino Theorie den drohenden Verlust von Indonesien an den Kommunismus als gravierender ein, als eine eventuelle Niederlage in Vietnam.
Die Auslöschung der Kommunistischen Partei Indonesiens
Als Konsequenz begann Washington, das indonesische Militär und vor allem General Suharto mit Geld und Hilfe zu versorgen, da es darin die beste Chance sah, die wachsende Popularität der PKI zurückzudrängen. Suharto war es dann auch, der 1965 nach einem bis heute nicht geklärten Kidnappings von sieben Generälen, zum großen Schlag ausholte.
Unter seiner Leitung und unter Verwendung von Tötungslisten, die von der US-Regierung zur Verfügung gestellt wurden, hackten paramilitärische Organisationen wie die Pancasila-Jugend buchstäblich auf der Zahl der Menschen auf dem linken Flügel der indonesischen Politik herum. Bevins schätzt, dass zwischen 500.000 und 1 Million Indonesier*innen ermordet wurden. Weitere Details und Hintergründe kann man auch in der Besprechung des Buches auf den Nachdenkseiten erfahren.
The Jakarta Method
Die fast vollständige physische Vernichtung des politischen Gegners und seiner Sympathisant*innen ist die „Jakarta-Method“ des Buchtitels, die staatlich organisierte Ausrottung aller, die auch nur die geringste Sympathie oder Verbindung zur Linken haben.
Die Jakarta Methode war so erfolgreich, dass sie als Blaupause für Aktionen in weiteren Ländern diente. In den Jahren 1945 bis 1990 entstand auf der ganzen Welt ein loses Netz von US-gestützten antikommunistischen Vernichtungsprogrammen, die in mindestens 22 Ländern Massenmorde verübten. Bevins nennt hier Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, El Salvador, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Irak, Mexiko, Nicaragua, Osttimor, Paraguay, die Philippinen, Sudan, Südkorea, Taiwan, Thailand, Uruguay, Venezuela und Vietnam.
Er schreibt auch, dass nach der Wahl von Salvador Allende in Chile Graffiti in Santiago auftauchten: Jakarta se acerca– Jakarta kommt. Antikommunistische Terrorgruppen wie Pátria y Libertad drohten mit dieser Parole, so vorzugehen wie in Indonesien, und chilenische Linke auszurotten. Jakarta wurde so zu einem Codewort für die von den USA unterstützte Massentötungen im Rahmen der Operation Condor in den Ländern Lateinamerikas.
Auswirkungen bis in die Gegenwart
Bevins sagt in einem Interview in der El Diario: In der Dritten Welt war der Massenmord an Linken ein wesentlicher Bestandteil der Kriegsführung. Es war eine der vielen Taktiken der Ersten Welt, um sicherzustellen, dass die Dritte Welt in die entstehende globale kapitalistische Ordnung unter Führung der USA eintritt, und sie wirkt sich bis heute auf den globalen Süden aus. Die Ermordung von Linken hat die Art der Globalisierung, die wir nach dem Ende des Kalten Krieges bekamen, tiefgreifend geprägt.
Die dadurch ausgelöste Gewalt hat zahllose Nationen traumatisiert, die physische Vernichtung des progressiven Teils der Bevölkerung die Möglichkeit alternativer Regierungen zunichte gemacht; der Kapitalismus hat sich in diesen Ländern noch mehr verfestigt. Der Antikommunismus ist weiterhin eine starke geopolitische Kraft. Nirgendwo wird dies so deutlich wie in Brasilien, auf dessen Militärputsch von 1964, -ebenfalls mit Hilfe der USA- Bevins in seinem Buch und in diesem Interview im Jacobin ausführlich eingeht, und wo sich das Agrobusiness und das Militär heute um einen Präsidenten Bolsonaro geschart haben, der offen die Jakarta-Methode propagiert,
Noch einmal Bevins in dem Interview der El Diario: Indonesien könnte aus mehreren Gründen der wichtigste Wendepunkt des Kalten Krieges gewesen sein. Erstens war es eines der bevölkerungsreichsten Länder, das in den Konfliktraum eintrat, und praktisch über Nacht wurde es von einem linksgerichteten, antikolonialistischen Land zu einem völlig antikommunistischen und mit dem Westen verbündeten Land. Es war nicht nur großartig, sondern auch unglaublich wichtig für die Führung der Dritte-Welt-Bewegung. Indonesien inspirierte viele andere Nationen, und die Zerstörung von Sukarnos Projekt hatte enorme Auswirkungen auf den globalen Süden.
The Jakarta-Method ist ein informatives und erkenntnisförderndes Buch, informativ wegen der Fülle von neuen Aspekten, die es zum Kalten Krieg des 20. Jahrhunderts liefert und erkenntnisfördernd, weil es diese Aspekte in einen Zusammenhang bringt, der Muster erkennen lässt.