In La burguesía catalana beschäftigt sich der Journalist und Redakteur der La Vanguardia, Manel Pérez, mit einen Akteur der eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung um die Unabhängigkeit Kataloniens gespielt hat: die katalanische Wirtschaft. Dazu kombiniert er verschiedene Analyseebenen, die von der rein politisch-ökonomischen bis hin zu von persönlichen und familiären Fragen geprägten Ebene reichen.
Der Autor geht von einem zentralen Gedanken aus: Die katalanische Bourgeoisie hatte lange vor der einseitigen Unabhängigkeitserklärung durch die von Carles Puigdemont geführte Exekutive bereits enormes an Einfluss in der Zivilgesellschaft verloren. Die politischen Entwicklungen, insbesondere nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zum katalanischen Statut im Jahr 2010, haben ihr schlichtweg die Unfähigkeit bescheinigt, ihre Ziele auf der Agenda der katalanischen Regierungen durchzusetzen.
Das Element, das den historischen Werdegang dieses katalanischen Bürgertums dabei geprägt hat, war die egoistische Verteidigung seiner Interessen. Manel Pérez zeigt, dass die katalanische Bourgeoisie keine Skrupel hatte, den Regierungen in Madrid in den Jahren der Restauration eine protektionistische Agenda aufzuzwingen, die ihren Exporten ins übrige Spanien zugute kam. In der Folgezeit bewahrte sie eine freundliche Haltung gegenüber dem Franco-Regime und in der Demokratie gegenüber dem Pujolismus, auch wenn sie mit dessen Plänen nicht immer einverstanden war. Das einzige, was sie verlangte, war ein stabiles Klima für ihre Geschäfte.
Die politischen Ereignisse in Katalonien haben sich jedoch im 21. Jahrhundert überstürzt, und die katalanische Bourgeoisie hat sich ihnen gegenüber sehr widersprüchlich verhalten. Zunächst lehnte sie die vorgeschlagene Reform des Statuts ab, unter anderem wegen der Unklarheit, die sie im Bereich der Finanzen sah. Später haben das Urteil des Verfassungsgerichts von 2010 und die in ganz Europa ausgelöste Wirtschaftskrise dieselben Kräfte jedoch veranlasst, die Notwendigkeit zu betonen, den Fiskalpakt zu erfüllen. Damit änderte sich ihr Kurs grundlegend, denn „während der jüngsten demokratischen Periode hatten sie ihn nicht zu einer unmittelbaren, dringenden oder möglichen politischen Forderung gemacht (…) Der Pakt war zu Beginn der Demokratie und der Erholung der Generalitat nicht ihr Ziel“ (S.35). Auf der Grundlage dieser neuen Perspektive wurde Artur Mas für einige Jahre „ihr Mann“. Als dieser jedoch dem ERC und der Macht der Straße nachgab, zogen sie seine moralische, politische und wirtschaftliche Unterstützung zurück.
Alles in allem ist das Bild der katalanischen Unternehmerschaft nicht gut: „Es war der dramatische Schlusspunkt eines stürmischen Jahrzehnts, in dem sich beide Kräfte von einer anfänglichen Koexistenz, die sich immer mehr auseinanderentwickelte, zum endgültigen Bruch bewegten, wobei der Großteil dieser Elite die Aufhebung der Autonomie und die Anwendung von Artikel 155 der Verfassung unterstützte“ (S.231). In der Tat symbolisiert diese Bourgeoisie für die harten Unabhängigkeitsbefürworter den Verrat an der nationalen Sache, der sich in der Verlagerung ihrer Unternehmen in andere Enklaven der nationalen Geographie widerspiegelt.
Als sich das Jahr 2017 näherte, machte sich der Diskurs der katalanischen Wirtschaft Argumente zu eigen, die zuvor von anderen Sektoren (Politik, Gesellschaft, Wissenschaft…) vertreten wurden und die darauf hinwiesen, dass das „Recht zu entscheiden“ im Widerspruch zum internationalen Recht und zur spanischen Verfassung steht. Diese juristische Sichtweise wurde mit einer eher „pragmatischen“ kombiniert (die im Wesentlichen auf der Angst vor einem möglichen Boykott katalanischer Produkte im übrigen Spanien beruhte).
Man könnte meinen, dass der Bruch in den Beziehungen zwischen der katalanischen Geschäftswelt und der Unabhängigkeitsbewegung nach 2017 endgültig war. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein, und dies wird durch die Führung des ehemaligen UDC-Mitglieds José María Sánchez Llibre an der Spitze des Arbeitgeberverbands Fomento de Trabajo bestätigt, als er bei der Regierung Pedro Sánchez für die Freilassung inhaftierter Politiker vermittelte und darauf bestand, dass die Rückkehr Puigdemonts nach Spanien eine notwendige Bedingung für Stabilität sei.
Das Buch von Manel Pérez und die ergänzenden Informationen aus zwei Interviews in der El Diario und der La Vanguardia geben interessante Einblicke in die Machtstrukturen der katalanischen Gesellschaft.
(Der Beitrag stützt sich auf eine Besprechung der El Imparcial).