Inzwischen sind seit Pedro Sánchez gescheiterter Investitur und Regierungsbildung bereits 3 Wochen vergangen. Und etwa fünf Wochen bleiben noch, um bis zum 23. September ein Bündnis für die Bildung einer Regierung zustande zu bekommen, sonst müssen Neuwahlen stattfinden.
PSOE im Wahlkampfmodus
Gegenwärtig gewinnt man den Eindruck, dass Sánchez bereits in den Wahlkampfmodus geschaltet hat, auch wenn andere Sozialdemokraten immer noch die Möglichkeit einer Einigung mit der Unidas Podemos (UP) in letzter Minute betonen. Alle seine Aktivitäten, die er gegenwärtig unternimmt, scheinen das Ziel zu haben, die UP zu isolieren und in die Enge zu treiben. Anders kann man seine Ankündigung nicht interpretieren, sich mit praktisch allen linken Bewegungen, den Gewerkschaften und allen politischen Parteien zu treffen, mit dem Ziel ein Regierungsprogramm zu entwerfen und dies dann erst kurz vor dem 23. September mit der UP zu verhandeln. Eine Vorgehensweise, die nicht gerade darauf hindeutet, dass man ernsthaft auf eine Einigung mit der UP hinarbeitet.
Verschiedene Varianten für den 23. September
Verschiedene Varianten sind für den 23. September und die Zeit danach denkbar.
Die Investitur scheitert erneut
Sánchez könnte sich erneut ohne die notwendige Unterstützung vorher abgesichert zu haben einer Abstimmung stellen. Allerdings ist dies unwahrscheinlich, da es einen öffentlichen Gesichtsverlust bedeuten würde. Dennoch könnte diese Option als letztes Druckmittel auf die UP zum Einsatz kommen. Nach den bisherigen Ereignissen kann man in der Spanischen Politik überhaupt nichts mehr ausschliessen.
Wie sich die UP bei einer solchen Entwicklung verhält, ist schwer vorauszusagen. Die Angst, im darauf folgenden Wahlkampf als Verweigerer dazustehen und weiter Stimmen zu verlieren, könnte zu unvorhersehbaren Reaktionen führen. Allerdings wäre dieses Szenario insgesamt für die Linke wohl ein Fiasko, das weitreichende Folgen für zukünftige Bündnisse hätte.
Es kommt nicht zu einer zweiten Investitur
Nächste Möglichkeit, Sánchez lässt die Frist verstreichen und stellt sich nicht erneut dem Parlament. Auf diese Weise würden automatisch Neuwahlen für den 10. November angesetzt. Ein Szenario, das Teile der PSOE nicht uncharmant finden, wenn sie die laufenden Umfragen studieren, die einen signifikanten Anstieg der Abgeordnetenzahl der PSOE und einen weiteren Rückgang der Zahlen der UP vorhersagen. Die Mehrheit der Linken im Parlament wäre damit weiter gewährleistet, jedoch bei einer weiteren Kräfteverschiebung zugunsten der PSOE.
Die UP möchte diese Variante ausschliessen und betont deswegen in allen öffentlichen Äusserungen ihre Verhandlungsbereitschaft ohne rote Linien. Aber es kommt nicht auf sie an, ob diese Variante Realität wird, sondern mehr auf die Einschätzungen von Seiten der PSOE und deren internes Kräfteverhältnis.
Es gibt doch noch eine Koalition
Immer noch existiert die Möglichkeit, dass es zu einer Koalitionsregierung von PSOE und UP kommt. Betrachtet man allerdings die gegenwärtigen Beziehungen zwischen den beiden Parteien, die von extremen gegenseitigen Misstrauen geprägt sind, so scheint das die am wenigsten wahrscheinliche Variante.
Die PSOE müsste dazu unter massiven öffentlichen Druck geraten, und auch in der UP ist diese Variante, obwohl offizielle Linie, nicht unumstritten. Die Gegner dort fürchten, für eine Koalition zu viele Kröten schlucken zu müssen und für zukünftige unpopuläre Massnahmen die Verantwortung zugeschoben zu bekommen. Betrachtet man zum Beispiel gerade den Zustand der SPD in Deutschland, keine unbegründete Furcht.
Der Portugiesische Weg
Das letze Szenario wäre ein programmatisches Abkommen mit der UP ohne Regierungsbeteiligung ähnlich dem Modell, mit dem die Sozialdemokraten in Portugal regieren. Diese Variante hat Sánchez in vielen Verlautbarungen als sein bevorzugtes Modell dargestellt.
Auch in der UP hat diese Variante ihre Anhänger. Allerdings wäre sie mit einem massiven Gesichtsverlust von Pablo Iglesias verbunden und er könnte intern und extern geschwächt werden, wenn es ihm nicht gelingt, die Botschaft zu verbreiten, dass am Ende sich die staatsmännische Verantwortung durchgesetzt hat, um einen vermeintlichen Plan von Sanchez zu vermeiden, eine Wiederholung der Wahlen zu erreichen.
Was hat zu dieser Situation geführt?
Angesichts der eigentlich guten Zusammenarbeit beim Misstrauensvotum im April 2018 und den darauf folgenden Massnahmen der sozialistischen Regierung reibt man sich verwundert die Augen, und frägt sich, wie es zu der gegenwärtigen Lage kommen konnte. Die Antwort darauf liegt in einer Reihe von objektiven Bedingungen und subjektiven Fehleinschätzungen.
Keine Regierungsbeteiligung der UP
Unter allen Umständen möchten die grossen Unternehmen und die mit ihnen verbundenen Presseunternehmen eine Regierungsbeteiligung der UP verhindern. Ihr favorisiertes Modell wäre eine Koalition zwischen PSOE und Ciudadanos. Wie sich der Druck auf die PSOE aufbaut hat Pedro Sánchez in einem verblüffend offenen Interview aus dem Jahr 2016 geschildert. Dieser Druck dürfte noch zugenommen haben.
Auch von Seiten der Europäischen Union sähe man eine Regeriungsbeteiligung von UP nicht gerne, schlügees doch -mehr noch als das portugiesische Beispiel- eine ernste Bresche in das neoliberale Konzept der EU und könnte in anderen Ländern als Vorbild dienen. Wei weit die EU bereit ist zu gehen, konnte man an der Behandlung von Griechenland nach dem Sieg der Tsipras Regeriung studieren.
War Podemos nur ein Episode?
Man kann auch den Eindruck gewinnen, dass die PSOE angesichts ihrer momentanen Erfolge zu der Einschätzung gelangt ist, dass der Aufstieg der UP nur ein Episode war und das Modell des Bipartidismus noch lange nicht ausgedient hat. Eine strategische Fehleinschätzung, die verkennt, dass langfristig linke Politik nur erfolgreich sein kann, wenn sich die linken Positionen -ungeachtet ihrer unerschiedlichen Haltungen- zusammenraufen.
Auch bei Podemos ist diese Einsicht noch nicht ganz angekommen, wie es scheint. Ihre Verhandlungsführung, die auf einer Kolaitionsregierung unter allen Umständen beharrte und sich als Kontrollorgan innerhalb einer sozialistischen Regierung zu definieren, war sicher nicht dabei hilfreich, Vertrauen zwischen Sozialdemokraten und der restlichen Linken zu schaffen.
Verfolgt man den Verlauf der Verhandlungen, gewinnt man auch den Eindruck, dass die spanische Politik Koaltionsverhandlungen erst noch üben muss. Das begann mit dem merkwürdigen Streit darum, ob man einen Kolaitionsregierung oder eine Regierung der Kooperation bilden sollte, setzet sich mit einem merkwürdigem Timing der Verhandlungen fort, die zusätzlich weitgehend über Twitter, statt am Verhandlungstisch geführt wurden und kulminierten in der Veröffentlichung von gefälschten Dokumenten über Verhandlungspoisionen. Insgesamt ein erschütterndes Bild, das beide Seiten abgaben.
Aus den Fehlern lernen
Wieder einmal ist viel Porzellan auf Seiten der Linken zerbrochen worden, jetzt kommt es darauf an, aus den gemachten Fehlern zu lernen. Dies scheint zumindest auf Länderbene zu gelingen. In einer Reihe von Comunidades Autonomas wie Valencia, Aragón, Navarra, den Kanarischen Inseln arbeiten Unidas Podemos, lokale linke Kräfte, Nationalisten und PSOE zusammen und bilden eine Front gegen Rechts. Das müssen die Modelle der Zukunft auch auf nationaler Ebene sein.