Man könnte an eine Autobiographie, oder ähnliches denken, aber das hat Alberto Garzón mit seinem Buch nicht im Sinn. Das wird deutlich, wenn man sich den gesamten Titel betrachtet: Por qué soy comunista: Una reflexión sobre los nuevos retos de la izquierda beleuchtet die Herausforderungen, vor denen die Linke in Spanien (und auch anderswo) steht. Um diese zu bewältigen eignen sich seiner Ansicht nach die Werkzeuge, die Karl Marx zur Verfügung gestellt hat. Von diesen Werkzeugen und wie man sie anwendet, handelt sein Text.
Im ersten Teil stellt er die Erkenntnisse von Marx und Engels in den Kontext ihrer Zeit und begründet damit, warum man den Marxismus wissenschaftlich nennen kann.
Der zweite Teil, der eigentliche Kern des Buches beschäftigt sich mit zentralen Begriffen der Theorie von Marx. Unter anderem arbeitet er sich am Begriff der Klasse ab, eine Kategorie, die er nach wie vor für unabdingbar hält, um die Wirklichkeit begreifen zu können. Warum wählen so viele Menschen, scheinbar gegen ihre Interessen rechts? Eigentlich wählen sie nicht gegen ihre Interessen, sie sehen nur nicht, dass die, die sie wählen, ihre Interessen nicht vertreten. Nach Garzón fehlt das Klassenbewusstsein, die Entwicklung der Klasse an sich zur Klasse für sich. Dies zu in der täglichen Auseinandersetzung zu entwickeln, hält er für eine der zentralen Aufgaben von Kommunisten. Er fordert damit das ein, was Bertolt Brecht in Lob des Revolutionärs so treffend formuliert hat.
Er organisiert seinen Kampf
Um den Lohngroschen, um das Teewasser
Und um die Macht im Staat.
Er fragt das Eigentum:
Woher kommst du?
Er fragt die Ansichten:
Wem nützt ihr?
Auch die Frage nach der Rolle des Staates schneidet er an. Gängige Ansicht von (vor allem orthodoxen) Marxisten ist ja die des ideellen Gesamtkapitalisten, der die objektiven Interessen der herrschenden Klasse gegen Partikularinteressen verteidigt und ausgleicht. Garzón zeigt, dass diese Ansicht nicht unbedingt die von Marx war, der sich zu dieser Frage zu verschiedenen Zeiten verschieden geäussert hat. Daraus leitet Garzón her, dass man die Rolle des Staates immer dialektisch sehen muss und dass es eine Frage der konkreten Kräfteverhältnisse ist, welche Rolle der Staat und seine Institutionen spielen. Dadurch wird auch klar, warum Linke heute den Staat und vor allem den Nationalstaat gegen neoliberale Angriffe verteidigen (müssen).
Es gibt noch eine ganze Reihe von interessanten Aspekten, auf die Garzón im dritten Teil des Buches eingeht. In einer wie immer klaren und leicht verständlichen Sprache äussert er sich zur Situation in Spanien, von seiner Einschätzung der Transición und den Fehlern, die die Kommunistische Partei Spaniens dabei beging, bis hin zum aktuellen Konflikt in Katalonien.
Viel Stoff zum Nachdenken.